Sind Growth Loops die neuen Funnels?

Seit Jahren dominieren Funnels das Marketing. Growth Frameworks wie z.B. das AARRR Framework von Dave McClure dienen vielen Marketern als Rohling für die Definition von Metriken und dem Aufbau einer Produkt- sowie Marketingstrategie. Doch muss oder kann das Unternehmenswachstum nur in linearen Modellen dargestellt werden oder sind zirkuläre Modelle, wie etwa das Growth Loop Framework die bessere Lösung für nachhaltiges Wachstum? Wir werden es herausfinden!

Autor: Octavio Azevedo

· Veröffentlicht: · Zuletzt aktualisiert: ·

Online Marketing

· 9 Min. Lesezeit

Lineares & zirkuläres Modell: Was sind die Unterschiede?

In der Regel wird ein Prozess oder Fortschritt linear betrachtet. Menschen machen einen Schritt nach dem anderen, daher liegt es nahe, Modelle ebenso darzustellen. Lineare Modelle haben einen Anfang und ein Ende, auf welches man von Stufe zu Stufe hinarbeitet. Hat man das Ende erreicht, ist der Prozess beendet.

Nehmen wir das AARRR Framework als Beispiel. Dieses hat fest definierte Funnel-Stufen, die eine lineare Abfolge haben. Der Funnel beginnt mit der Akquise neuer Nutzer und endet in einer Transaktion (Revenue).

In einem zirkulären Modell, wie etwa dem Growth Loop Framework oder dem Hooked Framework, ist das Ziel, Ressourcen optimal zu nutzen und sich selbst tragende Abläufe (Loops) zu schaffen. Dieses Modell erfordert eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Unternehmen und dem Produkt sowie ein tiefes Verständnis für die Zielgruppe.

Was ein zirkuläres Growth Modell ist, schauen wir uns jetzt am Beispiel des Growth Loop Frameworks an.

Was sind Growth Loops?

Begründer des Growth Loop Frameworks sind Brian BalfourCasey WintersKevin Kwok und Andrew Chen.

Zur Info: Das Growth Loop Framework wird von den am schnellsten wachsenden Unternehmen der Welt eingesetzt, wie etwa Netflix oder HubSpot.

Heißt das also, dass wir alle unsere bewährten Funnel Frameworks einstampfen sollten, um uns auf Growth Loops zu fokussieren?

Die zentrale Frage, die das Growth Loop Framework besser beantworten möchte, lautet: „Wie wächst mein Produkt?“ Aber nicht nur das – die Frage soll mit einer kollektiven, teamübergreifenden Vision beantwortet werden.

Der Growth Loop lässt sich in folgende Schritte unterteilen:

  1. Das Produkt/Unternehmen wächst.
  2. Dieses Wachstum benötigt mehr Ressourcen (z.B. qualifizierte Mitarbeiter).
  3. Diese Ressourcen ermöglichen es dem Unternehmen neue, bedeutungsvolle Probleme zu lösen, die zu mehr Wachstum führen.

Dieses grobe Beispiel betrachtet die Makroebene und damit stärker die zukünftige Ausrichtung des gesamten Unternehmens. Wir betrachten im Folgenden vor allem die Mikroebene der Growth Loops, also produktspezifische Loops. Mikro- und Makroebene gleichen sich aber im Prinzip. Es sei jedoch angemerkt, dass beide Ebenen wichtig für den nachhaltigen Erfolg sind.

Nachteil #1 des Funnels: Isolierte operative Teams

In der Regel repräsentiert jede Stufe des klassischen Funnels ein Team im Unternehmen. Jedes dieser Teams wird anhand der Ziele in der jeweiligen Stufe bewertet, wodurch strategische und operative Silos entstehen.

Das Marketing-Team ist beispielsweise für die Akquise verantwortlich und das Produkt-Team für die Retention der Nutzer. Beide Teams haben ihre unabhängigen Ziele und optimieren ihre Maßnahmen dahingehend.

Akquiriert das Marketing-Team nun schwache Nutzer, um seine Ziele zu erreichen, wird es für das Produkt-Team schwer, diese Nutzer zu halten und die Retention zu optimieren. Die Ziele erreicht man dadurch nur schwer.

Die Probleme, die durch Growth Loops gelöst werden sollen, sind die „Nebenwirkungen“ der Funnel Perspektive:
Durch Growth Loops sollen Teams enger zusammenarbeiten, da sie dasselbe Ziel verfolgen, nämlich den Output der Growth Loops zu verbessern. Die Teamziele sind nicht mehr getrennt, sondern es wird auf dasselbe Ziel hingearbeitet.

Nachteil #2 des Funnels: Isolierte strategische Produktentwicklung

Normalerweise wird ein Produkt entwickelt und im Anschluss werden die unterschiedlichsten Marketingkanäle getestet, um herauszufinden, welche Kanäle am besten performen. Die Produktentwicklung ist vom Marketing entkoppelt und die strategische Entwicklung findet jeweils getrennt voneinander statt. In der Regel geht dabei der Product Channel Fit verloren!

Während wir das eigene Produkt völlig frei entwickeln können, haben wir keinen Einfluss auf die Regeln der Plattformen, auf denen wir kommunizieren und werben.

Daher lautet der Kernpunkt der Growth Loops: Forme die Produkte so, dass sie zu den Kanälen passen, auf denen sich die Zielgruppe befindet und nicht umgekehrt!

Die verschiedenen Teams arbeiten also an einer gemeinsamen Entwicklung des Growth Loops sowie an der Maximierung des Outputs dieser Growth Loops. Es wird eine gemeinsame Strategie vorausgesetzt, um die Ziele zu erreichen und erfolgreich zu sein.

Das Growth Loops Konzept

Funnel arbeiten nur in eine Richtung. Ausgehend vom AARRR Framework, muss oben immer mehr Geld hineingesteckt werden, damit unten mehr herauskommt. Es gibt kein Konzept, wie man das, was unten rauskommt, reinvestiert, um oben wieder mehr zu erreichen und das Wachstum am Laufen zu halten.

Das RARRA Framework versucht die fehlende Nachhaltigkeit des AARRR Framework zu lösen (hier geht’s zum Artikel AARRR vs. RARRA: Die beiden Growth Marketing Frameworks im Vergleich), in welchem der Fokus auf die Retention gelegt wird. Doch Growth Loops gehen noch einen Schritt weiter.

Loops sind geschlossene Systeme, die für sich funktionieren und bei denen ein initialer Input dafür sorgt, das es einen Output gibt, der wiederum Input generiert. Ein Loop verfolgt immer nur ein Ziel, daher müssen für die verschiedenen Ziele, wie etwa Neukundengewinnung oder Retention, eigene Growth Loops entwickelt werden.

Das klingt zunächst abstrakt. Klarer wird es aber an einem Beispiel von Pinterest:

Beispiel:

Pinterest generiert neue Nutzer, indem sie den vorhandenen Content auf ihrer Plattform analysieren und die besten Inhalte in der organischen Google Suche ausspielen:

  1. Neue oder wiederkehrende Nutzer findet Content in den Google Suchergebnissen.
  2. Die Nutzer werden auf der Plattform mithilfe des Contents aktiviert.
  3. Nutzer werden incentiviert, den Content durch Speichern oder „Repin“ zu bewerten.
  4. Der Content mit den besten Bewertungen wird in die Google Suche gespielt, wodurch sich Punkt 1 wiederholt.

Dabei lassen sich Growth Loops in zwei Hauptkategorien unterteilen, Attraction Loops und Engagement Loops. In der Regel dienen Attraction Loops der Neukundengewinnung und Engagement Loops der Kundenbindung.

Attraction Loops (Neukundengewinnung)

Attraction Loops arbeiten in der Regel mit User-Generated Content und SEO, wie z. B. beim Pinterest Beispiel oben. Eine weitere Methode ist, durch Viralität oder bezahlte Werbung neue Kunden zu gewinnen. Bei bezahlter Werbung ist es besonders wichtig, dass nur der Return reinvestiert wird, um dem Growth Loop Ansatz treu zu bleiben.

Für die Attraction Loops ist es wichtig, stabile Kanäle zu wählen, wie etwa SEO, ASO (App Store Optimization) oder Paid Media sowie die Möglichkeiten der jeweiligen Plattformen (iOS, Android oder Web) auszunutzen.

Engagement Loops (Kundenbindung)

Engagement Loops arbeiten mit dem Mittel der Personalisierung und sozialen Aktivitäten bzw. Feedback. Dabei geht es darum, ein Verhalten durch soziale Anerkennung zu belohnen, sodass dieses Verhalten wiederholt wird. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Likes & Kommentare bei Social Media Content.

Durch diese Signale des Nutzers kann das Produkt zudem personalisiert werden. Das Ziel ist dann, dem Nutzer einen höheren Mehrwert zu bieten, die Zufriedenheit zu steigern und somit die Retention Rate zu erhöhen.

Beispiel:

Netflix hat eines der wohl bekanntesten Engagement Loops entwickelt:

  1. Der Nutzer fügt einen Titel zu seiner Liste hinzu, bewertet ihn oder schaut ihn bis zum Ende.
  2. Die Nutzerpräferenzen werden gespeichert und analysiert.
  3. Neuer Content steht zur Verfügung (z.B. Serien, Filme, Trailer).
  4. Der Nutzer bekommt persönlich zugeschnittene Empfehlungen (persönliches Dashboard, Push-Notifications, Newsletter).

Beim Growth Loop spielt zudem der Kumulations-Effekt eine enorm wichtige Rolle. Der Input der Nutzer geht nicht einfach verloren, er wird kumuliert und verbessert den Output. Der Output wird sowohl in Form von Volumen, z.B. durch ein schnelleres Wachstum bei der Neukundengewinnung als auch in der Qualität, z.B. durch ein besseres Kundenprofil, dank mehr gesammelter Daten verbessert.

Dieser kumulierte Output verbessert somit wiederum den Input und immer so weiter. Womit wir schon beim nächsten Thema wären, dem nachhaltigen Wachstum.

Loops gewährleisten nachhaltiges Wachstum

Das Ziel der Loops ist es, den Output eines Zyklus als Input für den nächsten Zyklus zu nutzen. Die wichtigste Frage, die Sie sich bei der Entwicklung eigener Growth Loops stellen müssen: Wie führt eine Kohorte an Nutzern zur nächsten Kohorte an Nutzern?

Dabei ist es besser, weniger Growth Loops für sein Produkt aufzubauen, welche spitz auf das eigene Produkt angepasst sind, als sich dazu verleiten zu lassen, viele kleine Loops aufzubauen. Letzteres ist zudem ein Zeichen für fehlenden Fokus.

Wie bereits erwähnt, sind Loops ein ganzheitliches System, welche das Produkt-, Channel- und Monetarisierungs-Modell als ein Ganzes betrachten und nicht isoliert voneinander. Die dadurch entstehenden Loops sind extrem spezifisch auf das eigene Unternehmen zugeschnitten und für die Konkurrenz schwer zu kopieren. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass unspezifische Strategien einfach zu kopieren sind. Je öfter und schneller eine Strategie vom Markt kopiert wird, desto unwirksamer wird sie. Ein solches Vorgehen ist nicht nachhaltig, da regelmäßig neue Growth Loops entwickelt werden müssten.

Das bedeutet jedoch nicht, dass spitz auf das Unternehmen zugeschnittene Loops für die Ewigkeit sind. Der Markt und das Nutzerverhalten ändern sich stetig und somit müssen auch die Loops und somit das eigene Produkt sowie das Marketing an die neuen Marktgegebenheiten angepasst werden.

Das Growth Loop Framework verlangt ein tiefes Verständnis des eigenen Produkts und eine ernste Auseinandersetzung mit den eigenen Zielen. Das Framework betrachtet das gesamte Unternehmen und nicht nur einige Teams isoliert voneinander.

Um dieses Framework erfolgreich umzusetzen, müssen Teamstrukturen neu gedacht werden. Genau hier liegt die größte Stärke der Growth Loops. Interdisziplinäre Synergien werden dadurch gefördert, dass teamübergreifend dasselbe Ziel verfolgt wird.

Growth Loops vs. RARRA Framework

Einen etwas „sanfteren” Ansatz verfolgt das RARRA Framework: Es ist besonders für App-Entwickler und Produkte geeignet, die auf eine hohe Anzahl wiederkehrender Nutzer angewiesen sind. Der Fokus liegt bei diesem Framework auf der Retention und verfolgt ebenfalls das Ziel, dass alle Teammitglieder an einem Strang ziehen und dieselben Ziele verfolgen.

Der Fokus dieses Frameworks ist vergleichbar mit dem Engagement Loop des Growth Loop Frameworks. Einzigartig beim Growth Loop Framework ist der Kumulations-Effekt, der besagt, dass jeder neue Nutzer in irgendeiner Form für die Akquisition neuer Nutzer sorgt.

Das RARRA Framework verlangt jedoch kein so großes Commitment und damit einhergehende massive Umstrukturierungen. Somit ist es einfacher in eine bestehende Organisation implementierbar.

Growth Loops vs. AARRR Framework

Sollte keines dieser beiden Frameworks für Ihr Unternehmen geeignet sein, ist das AARRR Framework immer noch eine solide Wahl, die dabei hilft, klare Ziele sowie KPIs zu definieren und die eigenen Aktivitäten zu messen und zu optimieren. Fokus legt das Framework in erster Linie auf Volumen und Kosteneffizienz pro Neukunde.

Fazit

Growth Loops könnte man als mehr als ein reines Framework für Produkt und Marketing bezeichnen. Es setzt eine Unternehmenskultur des Austausches und Miteinander voraus und fördert diese. Dieses Framework verlangt das größte Commitment, da Sie bereit sein müssen, Teams neu zu organisieren und ggf. sogar das gesamte Unternehmen umzustrukturieren.

Das Framework verlangt außerdem eine tiefe Auseinandersetzung mit Ihrem Unternehmen, dem Produkt und der Art und Weise, wie Sie dieses vermarkten. Zudem lässt sich ganz klar feststellen, dass sich dieses Framework besonders für Online Produkte und Services eignet. Die Produkte können Sie, wie etwa bei einem Engagement Loop, einfach anpassen und individualisieren.

Auch außerhalb jeglicher Frameworks ist es wichtig, dass Sie alle Stakeholder, die einen Einfluss auf Ihr Produkt haben, von Beginn an miteinbeziehen.

Es können schon so einfache Dinge sein wie die Gestaltung von Landingpages, welche für Google Ads oder Facebook Ads genutzt werden sollen. Hier haben der Webdesigner und der Performance-Marketer oft unterschiedliche Vorstellungen. Ein früher Austausch zwischen beiden Parteien ist unserer Erfahrung nach Gold wert.

Auch beim Relaunch der Unternehmens-Website raten wir unseren Kunden, von Beginn an unser SEO-Fachwissen einfließen zu lassen, um nachhaltig die Rankings zu verbessern. Dies nicht gleich zu Beginn umzusetzen, kann schwerwiegende Folgen für die Sichtbarkeit haben und das Fixing kostet meist erheblichen Mehraufwand.

Ob Sie erfolgreiches und weniger erfolgreiches Online-Marketing betreiben, zeigt sich unserer Erfahrung nach darin, ob es einen frühen Austausch zwischen allen Stakeholdern gibt und alle dasselbe Ziel verfolgen.

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